Predigt zu Karfreitag

Liebe Gemeinde,

haben Sie das große Kreuz in unserer Kirche noch vor Augen? Es hängt im Chorraum zwischen den beiden farbigen Fenstern.

Einige Menschen standen unter dem Kreuz: Soldaten, Frauen, einer der Jünger Jesu, der Johannes hieß, und Maria, Jesu Mutter. Treten wir selbst auch hinzu und stellen uns unter das Kreuz. Dann mögen uns Gedanken und Fragen durch den Kopf gehen wie diese: Wie konnten Menschen Gottes Sohn kreuzigen, der so vielen geholfen und Gutes getan hat? Wer sind wir Menschen, dass wir Jesus aus dieser Welt herausgedrängt und draußen vor den Stadttoren Jerusalems hingerichtet haben? Warum wollen wir nicht auf ihn hören und ihm nachfolgen? Welche Abgründe sind in uns Menschen verborgen? Welche Schuld trifft mich persönlich?

Mir wurde die Frage gestellt, ob die Corona-Pandemie vielleicht eine Strafe Gottes sein könnte. Meine Antwort war sofort ein „Nein“, aber ich habe trotzdem darüber nachgedacht. Menschen werden schuldig und hätten wohl Strafen verdient. Schuld kann eine finstere Macht sein. Was Menschen mit einem Atomkrieg anrichten könnten, wäre sicher noch schlimmer als das, was dieser Virus bewirkt. Menschen können so viel zerstören und Leid verursachen, egoistisch und verblendet sein. Trotzdem richtet und straft Gott uns nicht, sondern ruft uns zur Umkehr. Er will uns vergeben. Jesu Tod am Kreuz ist ein Zeichen für Gottes Liebe. Jesus bittet: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.“

Wenn wir uns unter dem Kreuz Jesu einfinden, mögen wir diesen Gedanken fassen:  Das Kreuz ist ein Zeichen der Liebe Gottes zu den Menschen. Er richtet sie nicht, sondern vergibt ihnen.

Paulus sagt, die Liebe Christi drängt uns, mit unserem Leben darauf zu antworten. Für Paulus ist dies Evangelium zum Schicksal geworden, und so lange er atmet, will er es noch bis ans Ende der Welt hinaustragen. Die Liebe Gottes drängt uns. Das heißt für Paulus, sein Leben hat gar kein anderes Thema mehr als dieses. Ob es ihm gut geht oder schlecht, ist gar kein Thema, was übermorgen sein wird, ist kein Thema, die Schwachheit seines Leibes ist kein Thema. Eines treibt ihn durch die Welt: die Liebe Christi, die in seinem Tode sichtbar geworden ist.

Es gab damals so viel Sterben wie heute. Es gab damals so viel Grausamkeit, Rücksichtslosigkeit und Profitgier wie heute. Auch damals nutzten Menschen die Schwächen und Not anderer aus. Was für eine Welt! Aber mitten in dieser Welt, in der die Hoffnungen blühen und welken wie heute hat ein Leben seinen Sinn, in einem Sterben wird ausgerechnet die Liebe sichtbar.

Gott richtet nicht, sondern er vergibt, Gott fordert nicht, sondern er bittet. Alle Welt fordert, aber Gott bittet. Unser Herz fordert, aber Gott lässt bitten. Unser Terminkalender fordert, aber Gott lässt bitten: Lasst euch versöhnen mit Gott! Damit beginnt ein neues, ein anderes Leben. „Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur; das Alte ist vergangen, siehe Neues ist geworden.“

Wenn wir unter dem Kreuz stehen, mögen wir diese Veränderung erkennen: Da handelt Gott nicht, indem er richtet, sondern vergibt, nicht indem er fordert, sondern bittet. Er steigt zu uns hinab. Er ist kein Aufsteiger – davon haben wir genug, die tun den Menschen selten etwas Gutes, sondern er steigt zu den Menschen hinab. Er findet uns draußen vor dem Tor, im Abseits, im Leid und im Tod, in der Tiefe und im Dunkel dieser Welt. Und so lebt als Versöhnte, vergebt einander, seid barmherzig miteinander, wie Christus uns vergeben hat und uns seine Barmherzigkeit erwiesen hat.                                 

Amen

Wir können miteinander singen und beten (EG 91, 1-4+7)

  1. Herr, stärke mich, dein Leiden zu bedenken, mich in das Meer der Liebe zu versenken, die dich bewog, von aller Schuld des Bösen uns zu erlösen.
  2. Vereint mit Gott, ein Mensch gleich uns auf Erden und bis zum Tod am Kreuz gehorsam werden, an unsrer Statt gemartert und zerschlagen die Sünde tragen:
  3. Welch wundervoll hochheiliges Geschäfte! Sinn ich ihm nach, so zagen meine Kräfte, mein Herz erbebt; ich seh und ich empfinde den Fluch der Sünde.
  4. Gott ist gerecht, ein Rächer alles Bösen; Gott ist die Lieb und lässt die Welt erlösen. Dies kann mein Geist mit Schrecken und Entzücken am Kreuz erblicken.
  5. Da du dich selbst für mich dahingegeben, wie könnt ich noch nach meinem Willen Leben? Und nicht vielmehr, weil ich dir angehöre, zu deiner Ehre.

Mitteilung zur Kollekte: Die Kollekte ist je zur Hälfte bestimmt für Gefährdete, Arbeit in Justizvollzugsanstalten ect. und die Jugendarbeit in unserer Gemeinde. Wer dafür etwas geben möchte, kann das Geld in einen Umschlag  (mit dem Vermerk: „Kollekte für den 10. April“) legen und in den Briefkasten beim Gemeindebüro werfen. Herzlichen Dank!

                                                 Ihre Pfarrerin Ellen Wehrenbrecht

Predigttext: 2. Korinther 5, 14-21 nach der Übersetzung der Basisbibel

14 Denn es ist die Liebe von Christus, die uns antreibt. Wir sind nämlich zu der Überzeugung gelangt: Wenn einer für alle gestorben ist, dann sind damit zugleich alle gestorben.

15 Christus ist für alle gestorben, damit die Lebenden nicht länger nur für sich selbst leben. Sie sollen jetzt vielmehr ganz für den leben, der für sie gestorben ist und auferweckt wurde.

16 Daher beurteilen wir von nun an niemanden mehr nach menschlichen Maßstäben. Auch Christus nicht, selbst wenn wir ihn früher nach menschlichen Maßstäben beurteilt haben.

17 Wenn jemand zu Christus gehört, gehört er schon zur neuen Schöpfung. Das Alte ist vergangen. Seht doch! Etwas Neues ist entstanden!

18 Das alles kommt von Gott. Durch Christus hat er uns mit sich versöhnt. Und er hat uns den Dienst übertragen, die Versöhnung zu verkünden.

19 Ja, in Christus war Gott selbst am Werk, um die Welt mit sich zu versöhnen. Er hat den Menschen ihre Verfehlungen nicht angerechnet. Und uns hat er sein Wort anvertraut, das Versöhnung schenkt.

20 Wir treten also anstelle von Christus auf. Es ist, als ob Gott selbst die Menschen durch uns einlädt. So bitten wir anstelle von Christus: Lasst euch mit Gott versöhnen!

21 Gott hat Christus, der keine Sünde kannte, an unserer Stelle als Sünder verurteilt. Denn durch Christus sollten wir vor Gott als gerecht dastehen.