Predigt am 9. Mai 2021

Neige deine Ohren, mein Gott, und höre, tu deine Augen auf und sieh an unsere Trümmer und die Stadt, die nach deinem Namen genannt ist.  Denn wir liegen vor dir mit unserem Gebet und vertrauen nicht auf unsere Gerechtigkeit, sondern auf deine große Barmherzigkeit.  ( Daniel 9, 18)

Liebe Gemeinde,

Sie kennen sicherlich diesen Tischkanon „Danket, danket dem Herrn, denn er ist sehr freundlich, seine Güt´ und Wahrheit währet ewiglich.“ Diesen Kanon sollte man möglichst mit dem richtigen Anfangston beginnen, damit die Männer zum hohen „d“ hinauf kommen und die Frauen das tiefe „a“ singen können. Und so groß der Tonumfang dieses Liedes ist, so groß ist der Umfang dessen, wofür wir Gott danken können. Es ist nicht nur das Essen, wofür wir Gott danken können, sondern da gibt es so viel mehr. Vieles erkennen wir erst im Laufe unseres Lebens. Vieles sehen wir erst im Nachhinein, dass wir Gott dafür dankbar sein können. Gott hat Geduld mit uns, er gibt uns Zeit, seine Freundlichkeit und Güte in so vielen Dingen, die er uns schenkt, die er uns widerfahren lässt, zu entdecken und die innere Haltung der Dankbarkeit, des Vertrauens und der Treue zu entwickeln.

Im Predigttext lesen wir. „Denn wir liegen vor dir mit unserem Gebet und vertrauen nicht auf unsere Gerechtigkeit, sondern auf deine große Barmherzigkeit.“ Der Prophet Daniel blickt auf die Trümmer der zerstörten Stadt Jerusalem und weiß, sein Volk trägt selbst die Schuld an dieser Misere. Sie haben Unrecht begangen gegen ihre Mitmenschen und gegen Gott. Die Trümmer, vor denen sie stehen, sind die Folge ihres begangenen Unrechts. Nun gehen sie in sich, erkennen ihre Schuld und treten vor Gott, ja sie liegen auf den Knien vor Gott, wissend, dass sie nicht mehr auf ihre Gerechtigkeit, sondern auf Gottes Barmherzigkeit vertrauen müssen. Sie wollen neu anfangen und ihre Stadt wieder aufbauen. Sie wissen, die Chance für einen neuen Anfang liegt nicht in ihrer Gerechtigkeit, sondern in Gottes Barmherzigkeit. Daniel, der Prophet des Alten Testaments vertraut auf Gottes Barmherzigkeit.

„Rogate – Betet“ so heißt dieser fünfte Sonntag nach Ostern. Seit Ostern dürfen wir gewiss sein: Wenn wir uns im Gebet an Gott wenden, wird er barmherzig mit uns sein. „Der auch seinen eigenen Sohn nicht verschont hat, sondern hat ihn für uns alle dahin gegeben, wie sollte er uns mit ihm nicht alles schenken.“ So schreibt es Paulus an die Römer 8, 32.

Ich kenne einen Bauern, der einen Biohof betreibt. Das Geheimnis seines Erfolges ist, glaube ich, sein Umgang mit den Mitarbeitern. Es sind Menschen mit Schwächen und Macken und sie sind sehr unterschiedlich, allein die Erntearbeiter, die aus unterschiedlichen Ländern Europas kommen. Der Bauer hat Geduld mit ihnen, ist gütig und freundlich. Er akzeptiert sie, wie sie sind. Er fördert und fordert sie so, wie es nötig und angemessen ist. Er schafft es, dass sie sich mit ihren Fähigkeiten in den Betrieb einbringen, zusammen arbeiten und eine Haltung der Dankbarkeit, des Vertrauens und der Treue einnehmen. Eine Frau, die mehr als ein Jahr krank war, wird nicht entlassen, sondern alle sind bereit, ihre Arbeit mit zu übernehmen. Für einen schwer Behinderten wird ein besonderer Computer angeschafft, den er bedienen kann.

Ich glaube, dass Gott mit uns auch so freundlich und gütig ist, dass er vielleicht  noch mehr auf uns eingeht und Geduld mit uns hat als dieser Bauer. Er versorgt uns mit allem, was wir zum Leben brauchen. Er erträgt unsere Schwächen und Fehler und vergibt uns unsere Schuld. Er steht zu uns, auch wenn wir alt und krank sind. Er kann und will uns gebrauchen. Er fördert uns, so wie es für uns gut ist, und lässt uns lernen, was wir zum Leben und im Umgang mit Menschen brauchen, manchmal gerade durch die schweren Dinge, die uns im Leben begegnen. Ich wünsche uns, dass wir das erkennen, wenn wir im Gebet vor Gott treten.

„Rogate – Betet“

Klagt Gott eure Lasten, legt sie ihm zu Füßen. Legt sie bei ihm ab und vertraut sie ihm an. Das befreit!

Geht in euch, werdet still vor Gott, dem Herrn. Kommt zur Ruhe und wagt den Blick nach innen. Schaut das an, was da ist: die Gefühle, Enttäuschung und Hoffnung, Angst und Zuversicht, Müdigkeit und Freude, vergebliche Mühe und Gelingen, was geschafft wurde und was noch bevor steht, Schuld und Vergebung und ein neuer Anfang. Nehmt euch Zeit für die Stille und verbindet euch mit Gott, der die Quelle allen Lebens ist, der die Quelle unserer Kraft ist, der heilt und vergibt und uns mit gütigen Augen ansieht.

Betet für die Menschen in Not: für die Kranken und Einsamen, für die Kinder und Jugendlichen, die zur Zeit auf so vieles verzichten müssen. Betet für die Menschen in Indien und Brasilien, für die Menschen auf den Intensivstationen und in den Seniorenheimen. Betet für die, die kein Zuhause und keine Heimat mehr haben.

Und vor allem dankt Gott für seine Barmherzigkeit, dass er Mitleid mit uns hat, dass unser Leid ihn kümmert und ihm nahe geht. Er hat einen Weg für uns und er wird uns einen neuen Anfang schenken. Er schenkt uns das Leben, jetzt und hier und auch in Ewigkeit.        Amen

Vielleicht mögen Sie diesen Psalm mitbeten:

Der Herr ist mein Licht und mein Heil; vor wem sollte ich mich fürchten?

Der Herr ist meines Lebens Kraft; vor wem sollte mir grauen?

Eines bitte ich vom Herrn, das hätte ich gerne:

dass ich im Hause des Herrn bleiben könne mein Leben lang, zu schauen

die schönen Gottesdienste des Herrn und seinen Tempel zu betrachten.

Denn er deckt mich in seiner Hütte zur bösen Zeit,

er birgt mich im Schutz seines Zeltes und erhöht mich auf einen Felsen.

Psalm 27, 1,4+5

 Die Predigt ist auch zu hören unter der Tel.nr. 06441/445715.

Katechumenenunterricht findet donnerstags um 17:15 Uhr auf Skype statt. 

Kollekte: Wer eine Kollekte geben möchte, kann sie in einen Umschlag legen und in den Briefkasten am Gemeindebüro werfen. Sie ist bestimmt für unsere Diakonischen Projekte.

Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Sonntag!       

Ihre Pfarrerin Ellen Wehrenbrecht