Predigt am 24.01.2021

Rut antwortete: „Bedränge mich nicht, dass ich dich verlassen und von dir umkehren sollte. Wo du hingehst, da will ich auch hingehen; wo du bleibst, da bleibe ich auch. Dein Volk ist mein Volk, und dein Gott ist mein Gott. Wo du stirbst, da sterbe ich auch, da will ich auch begraben werden. Der Herr tue mir dies und das, nur der Tod wird mich und dich scheiden.            Rut 1, 16+17

Liebe Gemeinde,

diese Worte, die Rut zu ihrer Schwiegermutter Noomi sagt, gehören wohl zu den bekanntesten Worten des Alten Testaments. Nicht selten werden sie als Trauspruch ausgewählt. Die Geschichte von Rut, der moabitischen Großmutter des Königs David, gehört wegen ihres faszinierenden Liebreizes und ihrer tiefen Menschlichkeit wohl zu den schönsten Geschichten des Alten Testaments. Es lohnt sich, diese vier Kapitel (noch) einmal im Ganzen zu lesen.

Noomis Schicksal ist eines von vielen anderen, ähnlichen Schicksalen, die sich damals und heute ereigneten und ereignen. Noomi verlässt mit ihrer Familie, mit ihrem Mann und ihren beiden Söhnen ihre Heimatstadt Bethlehem und such Rettung im benachbarten Land Moab. Aber bald schon stirbt dort ihr Mann und dann auch ihre beiden Söhne, die moabitische Frauen geheiratet hatten. Das muss sehr hart für Noomi gewesen sein.

Nun will sie in ihre alte Heimat zurückkehren auf der Suche nach Geborgenheit, nach Vertrautem: vertrauter Sprache, vertrauten Menschen, vertrauter Gemeinschaft und Halt im Glauben. Ihre beiden Schwiegertöchter, Orpa und Rut, begleiten sie. Sie wollen mit ihr in die alte Heimat zurückkehren. Aber an der Landesgrenze schickt Noomi sie zurück. Noomi scheint ihre Schwiegertöchter wirklich zu lieben und umgekehrt auch. Sie will das Beste für die beiden, vor allem nach dem schweren Verlust ihrer Söhne. In Israel werden diese jungen Frauen es schwer haben, denn Noomi kann nicht für sie sorgen. Es ist ungewiss, wovon sie dort leben können. In Moab wäre es einfacher für die beiden, eine neue Familie zu gründen. Orpa hört auf ihren Rat, aber Rut tut es nicht. Sie kann und will ihre Schwiegermutter nicht allein gehen lassen und antwortet ihr: „Bedränge mich nicht, dass ich dich verlassen und umkehren soll. Wo du hingehst, da will ich auch hingehen; wo du bleibst, da bleibe ich auch. Dein Volk ist mein Volk, und dein Gott ist mein Gott.“

Ich versuche mir vorzustellen, welche Gründe Rut bewegt haben, diese

Entscheidung zu treffen und diesen Weg an der Seite ihrer Schwiegermutter zu gehen. Es sind vier Gründe, die ich aus Ruts Worten herauslesen kann.

Erstens: Sie geht ihren Weg geradeaus, weiter nach vorn. Sie will nicht zurückgehen und umkehren. Es mag in ihrem Wesen begründet sein, dass sie solch ein Mensch ist, der tapfer und mutig seinen Weg weiter geht, auch durch Schwierigkeiten, Gefahren und Ungewisses hindurch. Vor kurzem sagte mir bei einem Trauergespräch die Ehefrau des Verstorbenen: „So war er – er ging seinen Weg geradeaus. Und zuletzt war es der Tod, auf den er tapfer zuging, in dem Vertrauen darauf, dass seine letzte und eigentliche Heimat bei Gott ist.

Zweitens: Rut will ihre Schwiegermutter nicht im Stich lassen. Da besteht offensichtlich eine sehr enge, gute Beziehung zwischen den beiden, die es Rut unmöglich macht, Noomi allein diesen Weg ins Ungewisse gehen zu lassen. Rut weiß um ihre Trauer. Sie weiß, dass die Schicksalsschläge ihre Schwiegermutter verändert haben. Aus Noomi – das bedeutet „die Liebliche“ ist „Mara“ geworden – „die Bittere“. Das sagt Noomi zu den Frauen, zu den Nachbarinnen, die sie begrüßen, als sie nach Bethlehem zurückgekehrt ist: „Nennt mich nicht mehr „Noomi“, sondern „Mara“. Rut empfindet, was in ihr vorgegangen ist und weiß, was es bedeuten würde, wenn sie ganz allein wäre. Sie übernimmt Verantwortung für ihre Schwiegermutter und bleibt bei ihr. Und aus dieser wunderbaren Beziehung der beiden Frauen entspringt die Keimzelle einer neuen , starken Familie. Auf dieser Beziehung ruht Gottes Segen. Rut heiratet Boas, einen entfernten Verwandten Noomis und sie wird die Urgroßmutter des Königs David. Und die Frauen in Bethlehem werden bei der Geburt ihres ersten Enkelkindes zu Noomi sagen: „Deine Schwiegertochter, die dich geliebt hat, hat ihn geboren, die dir mehr wert ist als sieben Söhne. (Rut 4,15)

Drittens: Rut sagt: „Dein Volk ist mein Volk.“  Sie vermag mit ihrer Schwiegermutter zu gehen, weil sie Vertrauen zu den Menschen des Volkes Israel hat. Auch wenn sie ihr erst einmal fremd sind und eine andere Sprache sprechen und eine andere Kultur pflegen. Sie ist bereit und offen, sich auf diese Menschen, auf dieses Volk einzulassen. Viele Migranten und Flüchtlinge, die hierher nach Deutschland kommen, mögen eine ähnliche Hoffnung und ähnliches Vertrauen in sich tragen. Und es ist gut, wenn sie tatsächlich hier auf Menschen treffen, denen sie vertrauen können und wenn sie irgendwann sagen können: „Dieses Volk ist mein Volk. Ich fühle mich dazugehörig.“

Und der vierte Grund, warum Rut diesen Weg geht, liegt in ihrer Entscheidung für den Glauben an Gott: „Dein Gott ist mein Gott.“  Ich gehe davon aus, dass sie durch Noomi von Gott gehört hat, dass sie genug wusste, um sich für Ihn entscheiden zu können. Aber der Glaube an Gott entspringt nicht nur aus einem bestimmten Wissen, sondern aus einer persönlichen Gottesbegegnung, in der sich Gott dem einzelnen Menschen offenbart und ihm die Gewissheit schenkt, dass Er der lebendige Gott ist, dem ich mein Leben anvertrauen kann.

In dieser Entscheidung für Gott ruhen, glaube ich, auch die anderen Entscheidungen Ruts, ihren Weg mutig nach vorn, selbst ins Ungewisse zu gehen, Noomi nicht im Stich zu lassen, sondern an ihrer Seite zu bleiben und den Menschen eines fremden Volkes, des Volkes Gottes, zu vertrauen.

Und so erfährt Rut Gottes reichen Segen, der das Schicksal beider Frauen am Ende zum Guten wendet.                                  Amen.

Wenn Sie möchten, können Sie mit einstimmen in das Lied EG 369, 7:

7. Sing, bet und geh auf Gottes Wegen,

verricht das Deine nur getreu

und trau des Himmels reichen Segen,

so wird er bei dir werden neu.

Denn welcher seine Zuversicht auf Gott setzt,

den verlässt er nicht.

Mitteilungen: Solange der Lockdown besteht, finden keine Gottesdienste und andere Veranstaltungen in der Kirche statt.

Katechumenenunterricht findet donnerstags um 17.15 Uhr auf Skype statt.

Kollekte: Wer eine Kollekte geben möchte, kann sie in einen Umschlag legen und in den Briefkasten am Gemeindebüro werfen. Die Kollekte ist bestimmt für unser Patenkind in Indien.

Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Sonntag,

Ihre Pfarrerin Ellen Wehrenbrecht