Predigt am 23. Mai 2021

Der Turmbau zu Babel

Es hatte alle Welt einerlei Zunge und Sprache. Als sie nun von Osten aufbrachen, fanden sie eine Ebene im Lande Schinar und wohnten daselbst. Und sie sprachen untereinander: Wohlauf, lasst uns Ziegel streichen und brennen! – und nahmen Ziegel als Stein und Erdharz als Mörtel und sprachen: Wohlauf, lasst uns eine Stadt und einen Turm bauen, dessen Spitze bis an den Himmel reiche, dass wir uns einen Namen machen; denn wir werden sonst zerstreut über die ganze Erde. Da fuhr der Herr hernieder, dass er sähe die Stadt und den Turm, die die Menschenkinder bauten. Und der Herr sprach: Siehe, es ist einerlei Volk und einerlei Sprache unter ihnen allen und dies ist erst der Anfang ihres Tuns; nun wird ihnen nichts mehr verwehrt werden können von allem, was sie sich vorgenommen haben zu tun. Wohlauf, lasst und herniederfahren und dort ihre Sprache verwirren, dass keiner des andern Sprache verstehe! So zerstreute sie der Herr über die ganze Erde, dass sie aufhören mussten die Stadt zu bauen. Daher heißt ihr Name Babel, weil der Herr daselbst verwirrt hat aller Welt Sprache und sie von dort zerstreut hat über die ganze Erde.  (1. Mose 11, 1-9)

Liebe Gemeinde,

was ist der Mensch? Die Bibel gibt darauf zwei ganz unterschiedliche Antworten, die doch beide wahr sind. In Psalm 8 hören wir: „Was ist der Mensch, dass du seiner gedenkst? Du hast ihn wenig niedriger gemacht als Gott, mit Ehre und Herrlichkeit hast du ihn gekrönt.“ Im Psalm 103 heißt es dagegen: „Ein Mensch ist in seinem Leben wie Gras, er blüht wie eine Blume auf dem Felde; wenn der Wind darüber geht, so ist sie nimmer da.“ Zwischen dieses beiden Extremen bewegt sich unser menschliches Leben: Zwischen Vergänglichkeit und Herrlichkeit. Beides sollte uns bewusst sein, damit wir im Gleichgewicht bleiben, damit wir uns auf der einen Seite nicht überschätzen und auf der anderen Seite den Mut und die Hoffnung nicht verlieren.

In unserer Geschichte vom Turmbau zu Babel wird nun erzählt, wie die Menschen versuchen, sich selbst einen Namen zu machen und einen Turm zu bauen, der bis in den Himmel reicht. Sie wollen über sich selbst hinauswachsen, himmlische, ja göttliche Höhen erreichen, grenzenlos voranschreiten, immer höher und weiter hinaus. Irgendwann meinen sie, sich an Gottes Stelle setzen zu können, weil ihnen, so wird es im Predigttext vermutet, nichts mehr verwehrt werden kann von dem,

was sie sich vorgenommen haben. In diesem Bestreben sind sie wohl von allen guten Geistern verlassen. Gott schaut sich das Treiben der Menschen von oben herab an. Auch heute schaut er von oben herab und sieht das Treiben der Menschen, die von allen guten Geistern verlassen sind: die Diktatoren, die ihre Völker unterdrücken, ermorden, Kriege führen oder unseren rücksichtslosen Egoismus, mit dem wir uns alles nehmen und leisten, ohne nach den Folgen für die nach uns Kommenden zu fragen.

Von oben herab schaut Gott sich das Treiben der Menschen an, denn ihn werden sie niemals erreichen können. Ihr Bestreben, ihr Ehrgeiz, auch ihre Machtbesessenheit oder ihr Größenwahn wird sie nicht an Gottes Stelle bringen. Er kommt herunter zu den Menschenkindern und setzt ihnen Grenzen. Er treibt sie auseinander und verwirrt ihre Sprache, dass sie einander nicht mehr verstehen. Manches Mal wünschten wir uns, Gott würde eher eingreifen, da, wo Menschen in ihrem unheilvollen, verantwortungslosen Tun, in ihrem Hochmut und Größenwahn schlimmen Schaden anrichten. Gott greift ein, erzählt uns unsere Geschichte aus dem Alten Testament. Da alles Leben von Gott kommt und von ihm verantwortet wird, trägt Gott – trotz der Freiheit, die er den Menschen gegeben hat, die letzte Verantwortung für seine Welt, für seine Schöpfung. Gottes Weisheit steckt hinter allem und in allem, auch dort, wo wir Menschen es nicht mehr erkennen. Gott gebietet dem grenzenlosen, unheilvollem Streben des Menschen Einhalt und verhindert das Schlimmste. In seinem Richten und Strafen handelt Gott wie ein liebender Vater, der notwendige Grenzen setzt. Wir sollen aufrecht gehen, aber ohne Hochmut. Wir sollen das Leben auf der Erde genießen, aber ohne sie zu zerstören. Wir sollen einen großen Namen haben, aber ohne andere dafür klein zu machen. Wir sollen uns an unserer Gesundheit und unseren Fähigkeiten freuen, aber ohne Kranke und Schwache beiseite zu schieben.

Mag sein, dass Gott uns durch die Pandemie notwendige Grenzen gezeigt und gesetzt hat. Mag sein, dass er sich in diesem kalten und regnerischen Mai entschieden hat, nicht uns Menschen, sondern den Bäumen eine Freude zu bereiten. Was Gottes Geist hier auf der Erde bewirkt, ist oft nicht greifbar oder offensichtlich. Gottes Geist mag am Werk sein, da, wo Menschen Böses durchschauen und den Mut haben, die Wahrheit zu sagen, Widerstand zu leisten und Grenzen zu setzen.

Sichtbar war das Wirken des Geistes, als er in Gottes Sohn vom Himmel auf die Erde herabkam, um in das Treiben der Menschen einzugreifen. Manchmal waren es Jesu Worte, manchmal sein Schweigen, manchmal seine Gesten oder Berührungen, einmal, als er die Händler aus dem Tempel vertrieb, auch sein energisches Auftreten. Aber am Ende war es die Liebe Jesu, durch die Gottes Geist hier auf der Erde wirkte. Es war seine Liebe, die allen Menschen galt. Er bat für uns alle: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.“ (Lk.23,34) In seinem Reden und Tun hat Jesus eine Sprache gesprochen, die die Herzen der Menschen erreichte. Es war die Sprache der Liebe und der Wahrheit, die uns zur Umkehr leitet und uns auf Jesus vertrauen lässt. Das menschliche Herz ist ein schwieriges Ding in seinem Streben und in seinen Ängsten, aber Gottes Geist kann auch mit unserem Herzen fertig werden. Und dort, wo das geschieht, fängt das Wunder von Pfingsten an. „Denn Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit.“ (2.Tim.1,7)                     Amen.

Die Predigt ist auch zu hören unter der Tel.nr. 06441/445715.

Katechumenenunterricht findet donnerstags um 17:15 Uhr wieder in der Kirche statt.

Am So., 30. Mai um 15.00 sind Sie eingeladen zu einem Drive-in-Gottesdienst auf dem Parkplatz von IKEA, Anmeldung mit Name, Adresse, Tel. an die Email-Adresse: reinhard.vollmer@ekir.de

Kollekte: Wer eine Kollekte geben möchte, kann sie in einen Umschlag legen und in den Briefkasten am Gemeindebüro werfen. Sie ist bestimmt für unsere Kirchenmusik.

Am So., den 6. Juni um 9.30 Uhr feiern wir wieder nach langer Zeit den ersten Gottesdienst in der Kirche!

Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Sonntag!     

Ihre Pfarrerin Ellen Wehrenbrecht