Predigt am 21. Februar

Als Jesus das gesagt hatte, war er im Innersten tief erschüttert. Er erklärte ihnen: „Amen, amen, das sage ich euch: Einer von euch wird mich den jüdischen Behörden ausliefern.“ Da sahen sich die Jünger ratlos an und fragten sich: „Von wem spricht er?“ Einer von seinen Jüngern, den Jesus besonders liebte, lag bei Tisch an der rechten Seite von Jesus. Ihm gab Simon Petrus ein Zeichen. Er sollte fragen, von wem Jesus wohl gesprochen hatte. Der Jünger lehnte sich zu Jesus hinüber und fragte ihn direkt: „Herr, wer ist es?“ Jesus antwortete: „Es ist der, für den ich ein Stück Brot in die Schüssel tauche und dem ich es gebe.“ Er nahm ein Stück Brot, tauchte es ein und gab es Judas, dem Sohn von Simon Iskariot. Sobald Judas das Brot genommen hatte, ergriff der Satan Besitz von ihm. Da sagte Jesus zu ihm: „Was du tun willst, das tue bald!“ Von den anderen am Tisch verstand keiner, warum Jesus das zu Judas sagte. Weil Judas die Kasse führte, dachten einige: Jesus hat zu ihm gesagt: „Kauf ein, was wir für das Fest brauchen.“ Oder: Jesus hat ihm aufgetragen, den Armen etwas zu geben. Als Judas das Stück Brot gegessen hatte, ging er sofort hinaus. Es war aber Nacht.         (Joh.13, 21-30)

Liebe Gemeinde,

Judas – der Verräter. Er hat seinen Herrn und Lehrer, seinen Freund, Jesus, verraten, mit dem er nun drei Jahre lang zusammen gewesen war. Gemeinsam mit den anderen elf Jüngern war er Jesus nachgefolgt. Er hatte gesehen, was Jesus getan hatte, seine Wunder, wie er sich Armen zuwendete und Kranke heilte. Er hatte gehört, was Jesus sprach und vom Reich Gottes erzählte. Warum verriet er ihn? Gab es etwas, was ihm an Jesu Art missfiel, wo er nicht mitgehen konnte, z.B. in seiner bedingungslosen Liebe, die auch Feinde einschloss? Konnte Judas vielleicht sein gewaltloses Vorgehen nicht verstehen? Wollte er die römische Besatzungs-macht lieber mit Waffengewalt vertreiben? 30 Silberlinge gab man ihm dafür, dass er ihnen verraten hatte, wo sie Jesus finden und gefangen nehmen konnten. Später bereute er das, wollte das Geld zurückgeben, aber da war es zu spät. Judas war darüber so verzweifelt, dass er sich das Leben nahm.

Es ist eine tragische Geschichte, die uns von Judas erzählt wird. Und es hätte auch den anderen Jüngern so ergehen können. Als Jesus sagt: „Einer von euch wird mich verraten“ , da wird allen angst und bange. Jeder hält es für möglich, dass er selbst gemeint sei. Die Jünger wussten, wie fehlbar und verführbar sie waren. Als Jesus verhaftet wurde, flohen sie alle und ließen ihn im Stich. Matthäus berichtet, dass die Jünger fragten: „Herr, bin ich´s?“ Keiner konnte für sich die Hand ins Feuer legen. Keiner kann der Versuchung, Falsches zu tun, immer widerstehen.

Und das gilt auch für uns. Wir sind verführbar, manchmal blind, manchmal fehlt uns der Mut, „Nein“ zu sagen und uns gegen die Mehrheit zu stellen. Geschichten wie diese zeigen uns unsere menschlichen Schwächen, die dunkle Seite, die es auch in unserem Leben gibt. Judas Verrat führte dazu, dass Jesus von jüdischen Behörden gefangen genommen, den Römern übergeben und gekreuzigt wurde. In unserem Leben kann Verführbarkeit, Blindheit und Feigheit auch großen Schaden anrichten und manchmal ist uns das gar nicht bewusst. Manchmal helfen uns Träume, diese dunkle Seite zu erkennen. Ich hatte vor kurzem solch einen Traum: Ich hatte ein Gewehr, das ich geschenkt bekommen hatte, in der Hand und ging mit meiner Familie auf die Jagd. Und tatsächlich lief uns ein Rudel Rehe direkt vor die Flinte. Der Rehbock war am nächsten. Ich schoss, obwohl ich gar nicht schießen konnte, und traf. Das schöne, große Tier brach mitten auf dem Weg zusammen. Und nun? Was sollte ich damit anfangen? Keiner von uns konnte es schlachten und verwerten. Was hatte ich nur angerichtet? Wozu hatte ich mich verleiten lassen?

Ich werde diesen Traum weiter deuten, mir dadurch etwas zeigen lassen für mein Tun am Tage. Oft sind es nahestehende Menschen, die uns zu Dingen verführen, die wir eigentlich gar nicht wollen. Manche Dinge tut man einfach, weil man die Möglichkeit oder Macht dazu hat, zerstörerische, gemeine Dinge. Manchmal ist man zu kurzsichtig, um zu erkennen, was am Ende dabei herauskommt, wenn man einfach etwas tut.

In unserer Geschichte heißt es, dass der Satan in Judas gefahren ist und sein Handeln bestimmt hat. Wir kennen den Ausspruch: „Der wird vom Teufel geritten.“ Ich habe mir Gedanken über den Ausdruck „Putzteufel“ gemacht. Darin steckt sicher auch eine Wahrheit, nämlich die, dass manchen Menschen Sauberkeit über alles geht – über Gemütlichkeit, dass sie für wirklich wichtige und schöne Dinge keine Zeit haben, dass Menschen, besonders Kinder sich in solch einem Haus nicht mehr wohlfühlen, weil sie ja nur alles wieder schmutzig machen und durcheinander bringen. Es kann teuflisch werden, wenn man Prinzipien über den Menschen stellt, sie daran misst, beurteilt und verurteilt – und die Liebe verliert.

Und doch kann Gott selbst aus dem Bösen, aus unseren Schwächen und Fehlern Gutes entstehen lassen. Das zeigt die Geschichte ebenfalls. Judas ist auch ein Werkzeug Gottes. Das stellte der Bildhauer Tilmann Riemenschneider auf seinem Altar in der Kirche St. Jakob in Rothenburg ob der Tauber 1501-04 dar. Dort steht Judas im Mittelpunkt. Rechts und links von ihm die anderen Elf und ihr Meister. Jesus wendet sich ihm zu und reicht ihm ein Stück des Abendmahlbrotes. Das ist mehr als der Fingerzeig auf seinen Verräter. Er gibt Judas Anteil an seinem Leib. „Ich sterbe auch für deine Sünden. Du gehörst trotz allem zu mir“, sagt die Geste. Die beiden sind sich ganz nah. Judas schaut zu Jesus auf. Er sieht ihn nicht an, wie einen, den er gleich aus Bosheit ans Messer liefern will, eher verzweifelt und schuldbewusst, fragend, voll Hoffnung und Zweifel zugleich.

Jesus wendet sich Judas Iskariot zu, obwohl er weiß, was geschehen wird. Er bleibt souverän angesichts des Bösen. Er lässt Judas in Freiheit gewähren. Ja, er fordert ihn sogar auf: „Was du tun musst, das tue bald.“ Jesus ist nicht nur Opfer der Verschwörung. Er kennt sein Schicksal und akzeptiert es. Er ist seltsam einverstan- den mit Judas´ Handeln, weil er weiß, dass es Gottes Plan ist. Und zugleich macht es ihm Angst und er leidet unter dem Verrat. Er bleibt trotz allem sich und seinem Jünger treu. Er hält in Liebe selbst an dem fest, der sich von ihm abwendet und ihn verrät. Ein bewegender Moment ist, dass Judas trotz all seiner Schuld dennoch Teil des Heilsgeschehens ist. Gott sei Dank.                          

Amen


Mitteilungen: Solange der Lockdown besteht, finden keine Gottesdienste und andere Veranstaltungen in der Kirche statt.

Katechumenenunterricht findet donnerstags um 17.15 Uhr auf Skype statt.

Kollekte: Wer eine Kollekte geben möchte, kann sie in einen Umschlag legen und in den Briefkasten am Gemeindebüro werfen. Die Kollekte ist bestimmt für Tikato.


Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Sonntag,

Ihre Pfarrerin Ellen Wehrenbrecht-