Predigt am 14. Februar 2021

„Warum fasten wir und du siehst es nicht an? Warum kasteien wir unseren Leib und du willst es nicht wissen?“  Siehe, an dem Tag, da ihr fastet, geht ihr doch euren Geschäften nach und bedrückt alle eure Arbeiter. Siehe, wenn ihr fastet, hadert und zankt ihr und schlagt mit gottloser Faust drein. Ihr sollt nicht so fasten, wie ihr jetzt tut, wenn eure Stimme in der Höhe gehört werden soll. Wollt ihr das ein Fasten nennen und einen Tag, an dem der Herr Wohlgefallen hat? Ist nicht das ein Fasten, an dem ich Gefallen habe: Lass los, die du mit Unrecht gebunden hast. Brich dem Hungrigen dein Brot, und die im Elend ohne Obdach sind, führe ins Haus! Wenn du einen nackt siehst, so kleide ihn, und entzieh dich nicht deinem Fleisch und Blut! Dann wirst du rufen und der Herr wird dir antworten. Wenn du schreist, wird er sagen: Siehe, hier bin ich.    ( Jesaja 58, 3 – 9)


Liebe Gemeinde,

in der nächsten Woche beginnt die Fastenzeit vor Karfreitag und Ostern. Wir denken an den Weg Jesu, der ihn zum Tod am Kreuz führte. Die Alte Kirche legte diese Fastenzeit fest, damit die Gläubigen Jesus nahe sein konnten in seinem Leid, indem sie Leid am eigenen Körper erfuhren, und ihre Sinne, Gedanken und ihr Herz ganz auf Jesus und seinen schweren Weg ausrichten konnten. Aber schon vor Jesus fasteten Menschen und auch heute gibt es viele, die aus ganz unterschiedlichen Gründen fasten.

In unserem Predigttext geht es ganz schön zur Sache zwischen Gott und seinem Volk Israel. Streitpunkt: das Fasten. Das Volk beschwert sich, dass sie vergeblich fasten und sich mit Verzicht quälen, denn sie merken nichts davon, dass Gott ihnen jetzt hilft, ihnen nahe ist und sie aus ihrer Misere befreit. Sinn ihres Fastens war, Gottes Aufmerksamkeit zu erregen. Und Gott wirft ihnen Heuchelei vor. Es ist eine Show, was sie da mit ihrem Fasten veranstalten. Ja, sie wollen nur gesehen werden, sie wollen gehört werden, sind aber nicht bereit, ihrerseits auf Gott zu hören. Das passt nicht zusammen. Gott hält seinem Volk vor: Wenn ihr mich wirklich sucht, dann könnt ihr nicht weiterhin eure Arbeiter unterdrücken und ausbeuten, miteinander streiten und Gewalt ausüben. Wenn ihr auf mich hören würdet, dann würdet ihr dem Hungrigen Brot geben, den Obdachlosen in eurem Haus aufnehmen, Nackte bekleiden und euch um die Notleidenden in eurer Familie kümmern.

Und daran knüpft Gott eine Verheißung: Wenn ihr das tut, wenn ihr auf Gott hört, dann wird Gott euch auch hören, euch antworten und euch nahe sein. Dietrich Bonhoeffer sagte einmal: „Gott erfüllt nicht all unsere Wünsche, aber all seine Verheißungen.“ Das ist wahr. Wer gibt, dem wird gegeben. Es ist nicht nur die Freude auf dem Gesicht desjenigen, dem geholfen wurde, es ist nicht nur das Vertrauen, das man gewinnt, wenn man so handelt, sondern man macht vielmehr die Erfahrung, teil zu haben an der überschwänglichen Güte Gottes. Was ich gebe und loslasse, kommt um ein Vielfaches zurück.

Der Sinn des Fastens ist also, Gott und Jesus nahe zu sein, aber das geht nur, wenn man sich auch seinem Nächsten zuwendet. Wenn ich auf Essen verzichte, kann das für mich persönlich gesund und gut sein, aber eine religiöse Bedeutung bekommt dieses Fasten, wenn ich dabei erfahre, was Hunger bedeuten kann und bereit werde, mich dieser Not anzunehmen. Jeder freiwillige Verzicht kann mir helfen zu verstehen, was ein unfreiwilliger Verzicht bedeutet. Solch ein Fasten bringt mich dem Nächsten und Gott näher.

Seit Monaten verzichten wir unfreiwillig auf Kontakte und Nähe. Und wir spüren: Das ist auch eine harte Art des Fastens. Das setzt uns ganz schön zu. Uns fehlen persönliche Begegnungen, Berührungen, Gemeinschaft, vor allem eine fröhliche Gemeinschaft. Den Kindern und Jugendlichen fehlt die Schule, die Freunde, Klassenkameraden und Lehrer. Das Arbeiten allein zu Hause vor dem Computer ist frustrierend und manchmal einfach zu viel, weil die Lehrer nicht einschätzen können, wieviel Zeit ein Schüler für eine Aufgabe allein zu Hause braucht. Und wir spüren: Wir brauchen Hilfe. Wir brauchen Menschen, die uns nahe kommen, mit uns reden, unsere stummen oder lauten Schreie hören.

Nun haben wir aber die Hoffnung, dass diese Beschränkungen zu Ende gehen werden. Und dann bleibt vielleicht und hoffentlich ein Gefühl für die Menschen zurück, die oft einsam sind, auch ohne die Zwangsmaßnahmen durch Corona. Es sind Phantasie und Einfallsreichtum gefragt, um Nähe trotz Kontaktbeschränkun-gen zu ermöglichen. Von einem ermutigenden Beispiel kann ich berichten: Eine ältere Dame erzählte mir, wie schön sie ihren Geburtstag trotzdem feiern konnte, weil die Enkel ihr solch eine schöne Überraschung im Garten vor ihrem Balkon präsentiert haben: Glückwünsche, Lieder, ein kleines Feuerwerk. Und ihr Herz war erfüllt von Glück. In der Tat: Diese Glückwünsche trafen ins Schwarze!

Ermutigen mag uns auch die Fastenaktion der evangelischen Kirche. Dabei geht es nicht um ein Verzichten auf das eine oder andere Genussmittel, sondern es ist eine Einladung zu einem Fasten im Kopf: Sieben Wochen ohne Blockaden. Ein Beispiel: Wenn Menschen in den vergangenen Wochen im Seniorenheim nicht besucht werden durften, erwies sich dies als äußerst harte Begrenzung. Deren Sinn, Bewohner und Pflegekräfte zu schützen, war jedoch keine absolute Blockade. Schon bevor dies offiziell erlaubt wurde, nutzten Heimleitungen ihren Spielraum, öffneten Türen für Freunde von Sterbenskranken, auch wenn sie nicht zur engsten Verwandtschaft zählten. Unsere Spielräume zu nutzen, Blockaden zu überwinden mit unserer Kraft und Phantasie, darum geht es – gerade jetzt in dieser schwierigen Zeit. Wir erfahren, wir sind nicht allein und verlassen. Menschen sind da und Gott ist da. Er antwortet, wenn wir rufen!                                  

Amen


Wenn Sie möchten, stimmen Sie in das Lied ein EG 420:

  1. Brich mit den Hungrigen dein Brot, sprich mit den Sprachlosen ein Wort,

sing mit den Traurigen ein Lied, teil mit den Einsamen dein Haus.

2. Such mit den Fertigen ein Ziel, brich mit den Hungrigen dein Brot,

sprich mit den Sprachlosen ein Wort, sing mit den Traurigen ein Lied.

3. Teil mit den Einsamen dein Haus, such mit den Fertigen ein Ziel,

brich mit den Hungrigen dein Brot, sprich mit den Sprachlosen ein Wort.


Mitteilungen: Solange der Lockdown besteht, finden keine Gottesdienste und anderen Veranstaltungen in der Kirche statt.

Katechumenenunterricht findet donnerstags um 17:15 Uhr auf Skype statt.

Konfirmandenunterricht findet Sa., den 20. Febr. von 11 – 12.30 Uhr auf Skype statt.                                                                                                                             

Kollekte: Wer eine Kollekte geben möchte, kann sie in einen Umschlag legen und in den Briefkasten am Gemeindebüro werfen. Die Kollekte ist bestimmt für die  diakonischen Projekte unserer Gemeinde.


Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Sonntag, 

Ihre Pfarrerin Ellen Wehrenbrecht