Predigt zum 22. November

Liebe Gemeinde, liebe Angehörige,

am Ewigkeitssonntag werden die Namen der Menschen, die im vergangenen Jahr verstorben sind, vorgelesen und wir zünden eine Kerze für sie an als Zeichen dafür, dass Sie sich an diesen geliebten Menschen erinnern, dass Sie um ihn trauern, aber auch als Zeichen der Hoffnung, dass er, dass sie bei Gott lebt und in seinen Händen geborgen ist. Das können wir in diesem Jahr leider nicht gemeinsam tun. Sie haben in den letzten Wochen und Monaten, im letzten Jahr eine schwere Zeit durchgemacht, als Sie Ihren Angehörigen in seinem Sterben begleitet haben. Sie mussten die Kraft haben, alle Angelegenheiten der Beerdigung zu regeln, und die Zeit danach, die so vieles verändert hat, bewältigen. Sie waren aus Ihrem Alltag herausgerissen.

Wenn man einen geliebten Menschen verliert, fühlt man sich oft selbst verloren, krank vor Sehnsucht nach etwas, was nie wieder so sein wird. Es ist die Sehnsucht nach der Stimme, die man nie wieder hören wird, nach den Augen, die einen nie wieder anschauen werden, nach der Nähe und den Berührungen, die man nicht mehr erleben wird. Mit der Dunkelheit der Nacht kommen die Tränen, die aus Traurigkeit und Verzweiflung fließen. Wir brauchen Trost, aber der uns trösten könnte, ist nicht mehr da. Wir brauchen Halt, aber der uns auffangen konnte, fehlt. Wir wollen Freude erleben, aber der Grund unserer Freude ist nicht mehr da. Erreichbar ist dieser Mensch nur noch in unseren Erinnerungen. Seine Wünsche, seine Werte und Ziele, seine Einstellung zum Leben können in mir weiter leben und auf mein Leben Einfluss haben. Ich nehme es auf, ich lerne daraus, knüpfe daran an und gehe weiter. Ich kann versuchen, das Glück zu finden, das er mir gewünscht hätte. Die Liebe, die er/sie mir geschenkt hat, macht mich stark, auch wenn er oder sie nicht mehr da ist.

Unsere Verstorbenen leben  in uns, wenn wir uns an sie erinnern, und sie leben in Gottes Welt, bei Gott. Vielleicht haben Sie sich manchmal gefragt, wie diese Welt aussieht und Sie haben sie sich in Ihrer Phantasie vorgestellt. In der Offenbarung beschreibt Johannes Gottes Welt, in der es keine Tränen, kein Geschrei, keine Schmerzen, kein Leid, keine Unterdrückung und keinen Tod mehr geben wird. Er richtet seine Worte an christliche Gemeinden, die vom römischen Staat unterdrückt und verfolgt wurden. In Gottes neuer Welt werden die Christen ihren

Glauben frei bekennen können. Jerusalem wird wie eine geschmückte Braut ihrem Gott voller Freude entgegen gehen, nicht mehr angefeindet, sondern von den anderen bewundert und beglückwünscht. Alles Leid ist vergangen und vergessen.

Das hoffen wir für unsere Verstorbenen auch, dass sie in Gottes neuer Welt angekommen sind, wo ihre Tränen abgewischt werden und sie alles Schwere, was sie aushalten mussten, hinter sich lassen können. Gott erwartet sie voller Liebe und nimmt sie auf wie eine Braut. Vielleicht sind unsere Verstorbenen Gott jetzt näher als wir, die wir oft so gefangen sind in unserem Alltag, in unseren Sorgen und Ängsten und abgelenkt von lauter vergänglichen und unwichtigen Dingen. Johannes schreibt, dass unser Durst nach Leben gestillt wird, weil Gott uns aus der Quelle des lebendigen Wassers trinken lässt. Gott ist der Schöpfer, das A und das O, Anfang und Ende, alles Leben kommt von ihm und fließt zu ihm zurück. Wir brauchen nicht mehr mühselig zu suchen nach echtem, sinnvollem Leben. Wir brauchen keinen Ersatz mehr. Wir müssen nicht mehr Dinge aufheben und ausprobieren, ob sie etwas taugen oder nicht, ob sie dem Leben dienen oder es doch eher zerstören, ob wir uns sie leisten können. Dem Durstigen wird Gott geben von der Quelle des lebendigen Wassers umsonst.

Und noch etwas sehr Ermutigendes steht in der Offenbarung: „Ich werde sein Gott sein und er wird mein Kind sein.“ In Gottes Welt werden wir wieder Kinder sein und die Geborgenheit eines Kindes, das gute Eltern hat, wieder erfahren. Wir werden von Gott gehalten und getragen wie ein Kind. Das ist ein guter, tröstender Gedanke. Die Worte der Offenbarung helfen uns, dass wir uns ein Bild davon machen können, wie es unseren geliebten Menschen geht, wo sie jetzt sind und wie wir uns ein Leben in Gottes Reich vorstellen dürfen. Das kann uns trösten in unserer Traurigkeit.

Unsere Verstorbenen leben bei Gott

                                                        und in uns,  wenn wir uns an sie erinnern.

Pfarrerin Ellen Wehrenbrecht

Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde; denn der erste Himmel und die erste Erde sind vergangen, und das Meer ist nicht mehr. Und ich sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott aus dem Himmel herabkommen, bereitet wie eine geschmückte Braut für ihren Mann.

Und ich hörte eine große Stimme von dem Thron her, die sprach: Siehe da, die Hütte Gottes bei den Menschen! Und er wird bei ihnen wohnen, und sie werden seine Völker sein, und er selbst, Gott mit ihnen, wird ihr Gott sein; und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen.

Und der auf dem Thron saß, sprach: Siehe, ich mache alles neu! Und er spricht: Schreibe, denn diese Worte sind wahrhaftig und gewiss! Und er sprach zu mir: Es ist geschehen. Ich bin das A und das O, der Anfang und das Ende. Ich will dem Durstigen geben von der Quelle des lebendigen Wassers umsonst. Wer überwindet, der wird dies ererben, und ich werde sein Gott sein und er wird mein Kind sein.

                                                                                      Offenbarung 21, 1-7

Von guten Mächten treu und still umgeben,

behütet und getröstet wunderbar,

so will ich diese Tage mit euch leben

und mit euch gehen in ein neues Jahr.

Lass warm und hell die Kerzen heute flammen,

die du in unsre Dunkelheit gebracht,

führ, wenn es sein kann, wieder uns zusammen.

Wir wissen es, dein Licht scheint in der Nacht.            

( Dietrich Bonhoeffer)