Wort zum Sonntag (22.03.2020)

Liebe Gemeinde,

da es zur Zeit nicht möglich ist, sich zum Gottesdienst zu versammeln, will ich wenigstens schriftlich einige Worte an Sie richten. Vielleicht vermag uns das auch ein stückweit miteinander zu verbinden und wir sind doch in Gedanken beieinander und stellen uns vor, wer eigentlich neben uns sitzen würde, wen wir treffen und sehen würden.

Viele von uns hat die Corona-Epidemie aus dem Alltag herausgerissen. Wir müssen umdenken und uns neu orientieren. Ich habe nicht das Gefühl, mehr Zeit zu haben, sondern dass andere Dinge getan werden müssen, und ich für manches mehr Zeit brauche als sonst, weil ich es unkonzentriert tue und manchmal gelähmt bin, mir zu viele Gedanken mache. Viele haben Angst um ihr Leben oder das ihrer Angehörigen. Und was uns sonst Trost gegeben hat, nämlich ein Gespräch, eine Umarmung, die Gemeinschaft und Nähe zu anderen, ist uns jetzt not-wendiger-weise untersagt, bzw. auf ein Minimum begrenzt. Wir alle hoffen, dass dieser Zustand nur eine Weile und nicht allzu lange dauert.

Heute, am 22. März, hätten wir in Niedergirmes einen besonderen Gottesdienst gefeiert, in dem drei Flüchtlingsfamilien, einige Mitarbeiter aus unserem Flüchtlingscafé und der Kinderchor unter der Leitung von Dorothea Hanstein anwesend gewesen wären.

Als Predigttext hatte ich Epheser 4, 2b+3 ausgesucht:

Ertragt euch gegenseitig in Liebe.

Bemüht euch darum, die Einheit zu bewahren,

die sein Geist euch geschenkt hat.

Der Friede ist das Band, das dabei alles zusammenhält.

Mein Ziel und unser Ziel vom Flüchtlingskreis ist es, die Gemeinde auf einen Weg mitzunehmen, sich aktiv für ein vertrauensvolles und friedliches Miteinander unter Menschen aus unterschiedlichen Nationen, Kulturen und Religionen einzusetzen. Ausgangspunkt waren die Attentate und die Morde an Menschen mit Migrationshintergrund in Hanau. Die Flüchtlinge, die jeden Samstag zu uns ins Flüchtlingscafé kommen, waren dadurch sehr betroffen und auch verängstigt. Sie suchen hier in Deutschland Schutz und Hilfe, weil sie aus Kriegsgebieten fliehen mussten oder ihnen in ihrem Heimatland Gefängnis oder die Todesstrafe drohen, und nun erleben sie wieder, dass sie in Lebensgefahr sind. Ihre Haut ist noch sehr dünn und ihr Inneres noch längst nicht zur Ruhe gekommen.

Wir als Mitarbeiter vom Flüchtlingscafé erleben, dass sie sich sehr darum bemühen, die deutsche Sprache zu lernen, sie bereiten sich intensiv auf ihre Prüfungen vor, sie erstreben, einen Praktikumsplatz oder Arbeit zu finden, sie wollen sich integrieren, unsere Kultur kennenlernen und verstehen. Klaus, einer unserer Mitarbeiter, berichtet von seinen persönlichen Erfahrungen: „Bei dem Engagement für Flüchtlinge kommt ganz viel zurück an Dank, Anerkennung, Herzlichkeit und Vertrauen. Es sind Freundschaften entstanden. Wir haben vieles zusammen erlebt, nicht nur gemeinsame Ausflüge, sondern auch eine Hochzeit und eine Beerdigung und die Freude über die Geburt von Kindern.“

Für mich war es ein Zeichen von großem Vertrauen, dass drei Familien sofort bereit waren, zu uns in den Gottesdienst zu kommen, um für ein friedliches Miteinander einzutreten, um Sie kennenzulernen. Nur Y. , der schon lange – ich weiß gar nicht, ob er schon immer hier lebt – wollte nicht mehr über dieses Thema reden. Er hat wohl einige bittere Erfahrungen hinter sich. Er meint, jeder muss für sich damit zurechtkommen und lernen, mit Ablehnung, Vorurteilen und Ausländerfeindlichkeit umzugehen. Er kommt immer, um den Jugendlichen Nachhilfe in Mathe zu geben. Es mag viele geben, die in Ablehnung und Vorurteilen verharren, aber wir nicht.  Wir wollen gerade als Gemeinde gastfreundlich und offen sein. Gemeinde als Herberge, das ist unser Bild von Gemeinde.

„Ertragt euch gegenseitig in Liebe“, schreibt Paulus an die Gemeinde in Ephesus. Ja, wir müssen einander ertragen in unserer unterschiedlichen Art und Kultur, in unserer Bedürftigkeit, mit unseren Schwächen und Verletzungen, mit unserer Angst und unserer Wut. Die Menschen, die zu uns geflohen sind, müssen vielleicht unsere Hartherzigkeit, Unwissenheit und Arroganz ertragen. Unerträglich jedoch sind Hass und Gewalt. Sehr wichtig ist auch, dass wir offen miteinander reden können, gerade, wenn einem etwas nicht gefällt, wenn man sich über etwas ärgert oder man etwas nicht versteht. Ich will alle ermutigen, die Liebe und das Vertrauen zu wagen. Es wird ganz viel zurückkommen: Dank, Anerkennung, Herzlichkeit und Vertrauen.

Dorothea Hanstein möchte mit ihrem Kinderchor, in dem Kinder aller Nationen herzlich willkommen sind, Lieder für den Frieden singen. Als Lehrerin weiß sie, dass Kinder leicht lernen, Brücken zueinander zu bauen und schnell Freundschaften schließen.

Ich hoffe und wünsche mir, dass Sie alle dabei sind, sich aktiv für die Einheit und den Frieden einzusetzen unter den Nationen, Kulturen und Religionen, die hier in Niedergirmes zusammenleben. Das ist eine große Aufgabe.

                                           Ihre Pfarrerin Ellen Wehrenbrecht

Mitteilungen

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Wer gern jeden Sonntag dieses „Wort zum Sonntag“ bekommen möchte, kann uns gern seine Adresse oder email-Adresse bekannt geben und wir senden es Ihnen oder werfen es in Ihren Briefkasten. ( E.Wehrenbrecht, Tel. 4450879 oder Gemeindebüro: 32879)  Zu lesen ist es auch auf unserer Homepage.